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Recht

Artikel 13-Unwetter

Große Forore auf der bekanntesten Videoplattform, die größte EU-Petition aller Zeiten – die Jugend regt sich auf über „Artikel 13“. Dabei wird rumgeschriehen, polemisiert und es werden viele Halbwarheiten verbreitet, wobei eigentlich gar keine Warheiten oder überhaupt Informationen verbreitet werden, sondern einfach nur die Behauptung, Youtube wird sterben, alle Böse, wir müssen und wehren. Keiner scheint irgendwie wirklich zu wissen, um was es hier geht.

Ich interessiere mich für Politik, IT und insbesondere die Schnittstelle Netzpolitik, habe das Thema schon seit längerer Zeit verfolgt und versuche es mal kurz zu erklären.

Also, die aktuelle Lage ist verständlicherweise für die Verlage und Verwertungsgesellschaft irgendwie nicht ganz glücklich.
Man findet ja auf Youtube haufenweise urheberrechtswidrige Inhalte.

Bisher war derjenige, der das Video hochgeladen hat, verantwortlich, also haftbar dafür. Da dieser aber in der Regel nicht bekannt ist, haben die Urheber nichts in der Hand, können die Videos halt nur sperren lassen, wenn sie sie denn finden (dann kommt der bekannte Hinweis „Dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar“).

Die Verleger, auch „Kulturschaffende“ genannt, auch wenn sich hier teilweise die Frage nach der „Kultur“ stellt, haben also ihre Lobbyisten geschickt, die sind nach Brüssel gerannt und haben laut rumgeschrien. Axel Voss (CDU), seines Namens Europaabgeordneter und Berichterstatter in der Sache, der Böse in dem Ganzen, hat sich ihrer angenommen und fleißig ein neues Gesetz erarbeitet (oder wohl eher erarbeiten lassen, die machen sich da nicht die Finger schmutzig).

Der nach langwierigen Trilogverhandlungen zwischen den Organen der EU letzte Woche final entschiedene Gesetzestext sieht einige Änderungen der europäischen Urheberrechtsverordnungrichtlinie vor. Unter anderem eine Verschiebung der Haftungsfrage bei User-Generated-Content. So ist jetzt nicht mehr der Hochladende für die Inhalte verantwortlich, sondern die bisher durch das Providerprivileg geschützten Plattformen, also z. Bsp. Youtube.

Die Plattform muss also in eigenem Interesse dafür sorgen, dass bei ihr keine Urheberrechtsverletzungen stattfinden. Upload-Filter stehen so nicht im Gesetzestext, diese und/oder Pauschalverträge mit Verwertungsgesellschaften sind aber praktisch notwendig.

Upload-Filter heißt, dass Youtube mithilfe eines teilweise schon bestehenden Systems jedes Video automatisiert auf Urheberrechtsverletzungen prüft, indem es dieses mit anderen Inhalten abgleicht. Die Gefahr hierbei ist halt, dass es zu Overblocking kommen kann, das heißt, die Plattform löscht in Angst vor Abmahnungen lieber mal mehr. Auch so kann ein Programm nicht vollkommen zuverlässig einteilen. Legale Weiterverwendung (Zitate, Parodien, Satire oder so) kann nicht wirklich erkannt werden. Da wie gesagt, im Zweifelsfall lieber löschen, können/werden einige Videos unberechtigt gelöscht werden. Außerdem wird mit den Filtern ein mächtiges Werkzeug geschaffen wird, mit dem eine Plattform bestimmte Inhalte kategorisch löschen kann und steigt zur rechtlichen Endscheidungsstelle auf, entscheidet also über Recht und Unrecht, was bisher Gerichten überlassen war. Das Ganze ist (natürlich) nicht transparent, man kann also nicht sehen, was da genau passiert. Es bietet auch die Möglichkeit für Zensurmaßnahmen.
Schutz der Meinungsfreiheit und so.

Was ich allerdings hier schlimm finde ist, dass es eigentlich die großen Plattformen eigentlich noch stärkt. Youtube hat für sein Content ID-Filterprogramm bisher über 100 Millionen Dollar ausgegeben. Kleinere Plattformen könnten sich das niemals leisten. Zwar gibt es Ausnahmen für kleine Startups, diese wurden aber relativ begrenzt gehalten. Eine Folge könnte sein, dass sich kleinere Plattformen die Nutzung von Content ID mieten und dann nach den Regeln von Google spielen müssten. Das würde neue Innovationen und Alternativen erschweren und die Monopolstellung von Google weiter ausbauen.

Neben der Verschiebung der Haftungsfrage, über die man grundsätzlich diskutieren kann, gibt es noch einen Punkt, den ich eigentlich schlimmer finde, der aber zumindest in Youtube-Kreisen kaum beachtet wird. Und zwar ein Leistungsschutzrecht auf europäischer Ebene. Hier ist der Punkt, dass News-Aggregatoren wie Google News Ausschnitte von Berichten von Onlinemedien anzeigen. Die Medien fürchten Einbußen, weil die Leute sich nur noch die Ausschnitte auf Google News durchlesen und nicht mehr auf ihre eigenen Seiten kommen. Das Leistungsschutzrecht sieht jetzt vor, das Zitatrecht einzuschränken, sodass so etwas nicht mehr möglich ist bzw. nur gegen Gebühr. Ich weiß jetzt nicht genau, wie der aktuelle Entwurf aussieht, aber zwischendurch gab es mal ziemlich radikale Ideen, nach denen sogar die Übernahme von einigen Wörtern, z. Bsp. der Überschrift oder das Angeben der URL verboten sein sollen. Das finde ich, ist ein unrechtmäßiger Eingriff in das Zitatrecht.

Das Lustige am Leistungsschutzrecht ist, dass es das in Deutschland schon gibt. Die Verlage wollten damit von Google Geld erpressen. Google hat nun angeboten, dass die Verlage ihnen die Inhalte kostenlos zu Verfügung stellen, ansonsten tauchen ihre Artikel einfach nicht mehr auf. Am Ende haben alle großen Medien zugestimmt…

In Spanien, wo’s das auch gibt, wurde einfach kurzerhand Google News abgeschaltet. Die Verlage haben also keinen Cent gewonnen.

Worüber man sich auch verschließt ist, dass ein nicht kleiner Anteil der Besucher von News-Seiten über Google zu ihnen kommen (bei manchen fast die Hälfte!).

Die große Aufregung darum (ansonsten interessiert der typische Youtube-Nutzer nen Dreck für so etwas) hängt mit einem geschickt aufstachelnden Brief der Youtube-Cheffin, mit dem sie eine völlig übertriebene untergangsprophezeihende Stimmung erzeugt und Millionen an Lobbyarbeit gespart hat. Das hat zu der bisher größten europäischen Petition mit fast 5 Millionen Unterschriften geführt.

Die Reform wird wohl kommen, auch wenn sich mittlerweile sogar Bertelsmann, eines der größten Verlagshäuser der Welt und einige Journalisten und Künstler dagegen gestellt haben.

Sie wird das Netz nachhaltig verändern, aber natürlich nicht untergehen lassen.

Man kann nur hoffen, dass das bei den jungen Leuten nicht zu Europaverdrossenheit führt, sondern diese endlich mal die konservativen Altparteien aus dem Haus jagen. könnte tatsächlich sinnvoll sein. Die Regierung hat übrigens im Koalitionsvertrag Upload-Filter ausgeschlossen, da sieht man mal wieder, wie zuverlässig die sind. Also, liebe Leute, geht wählen (eine Auflistung wer gegen und wer für die Reform ist hier). Eine große Chance für die Piraten!

2 Antworten auf „Artikel 13-Unwetter“

Bist du jetzt für Artikel 13 oder dagegen? 😉
Artikel 13 ist übrigens seit etwa einem Jahr durch das „Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“ umgesetzt.

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