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Warum der Staat Ungarn ein Problem mit seiner Legitimation hat

Wenn man mal in die Geschichte und das ungarische Grundgesetz schaut, fällt ein Logikfehler auf. Sicher nicht der einzige in Ungarns Politik und auch praktisch nicht von größerer Bedeutung, tatsächlich entzieht es dem ungarischen Staat etwas von seiner ideologisch-formalen Legitimation.

(Vorsicht: Die historischen Details sind etwas verkürzt dargestellt. Auch sonst hab ich nicht viel Ahnung von Ungarn, hab mir das nur mal angeschaut und das ist mir aufgefallen.)


Nach dem 2. Weltkrieg wurde in Ungarn 1949 die “Volksrepublik Ungarn” quasi durch die Sowjetunion gegründet (ursprünglich war von den Alliierten eine parlamentarische Demokratie vorgesehen, die Kommunisten putschen sich dann aber quasi an die Macht).
1989 wurde dann im Zuge der allgemeinen politischen Wende des Ostblocks die Verfassung grundlegend geändert zu einer parlamentarischen Demokratie, der Staat umbenannt in “Republik Ungarn”. Formal blieb es aber die gleiche Verfassung, also auch eindeutig der gleiche Staat.
2011 wurde dann fast in einer Nacht-und-Nebel-Aktion eine (diesmal ganz neue) neue Verfassung beschlossen, der Staat umbenannt in lediglich “Ungarn” (in Kraft getreten 2012). In einer umfangreichen Präambel wird (neben ziemlich vielem christlichem und mittelalterlichen Zeug) die Verfassung von 1949 als Grundlage einer Willkürherrschaft bezeichnet und für ungültig erklärt. Zumindest rhetorisch schließt man also ausdrücklich mit dieser Zeit ab.

Diese Verfassung wurde jetzt aber nicht direkt durch das Volk beschlossen (z. Bsp. durch ein Verfassungsreferendum), sondern ganz einfach durch das alte Parlament (mit einer 68%-Mehrheit). Das ist erstmal nicht unrechtmäßg, denn die alte Verfassung sah das so vor. In einer nachgestellten Präambel wird sich auch auf die verfassungsgegebende Gewalt als Parlament, also Organ der alten Verfassung berufen. Die alte Verfassung, die allerdings ursprünglich aus dem Jahr 1949 stammt und die man in der neuen Verfassung für ungültig erklärt. Man legitimiert sich also letztendlich mit etwas, das man ablehnt. Also legitimiert man sich eigentlich gar nicht.

Erklären dürfte sich das vielleicht dadurch, dass man ja 1989 einen harten Cut gemacht hat, also annimmt, dass das dann was neues war. Formal ist das ist allerdings falsch, weil es war der gleiche Staat. Und selbst wenn nicht, ist die Verfassung(sänderung) von 1989 auch nur durch die Verfassung von 1949 legitimiert.

Also Leute: Alle mal Ungarn nicht anerkennen! 😉

PS: Wobei man sagen muss, dass es faktisch schon eine demokratische Legitimation dadurch gibt, dass die Verfassung durch ein demokratisch gewähltes Parlament verabschiedet wurde…

Quellen

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